Auf’s offene Meer Richtung Norden.

Apr 5, 2019Reisen, Segeln

Während meiner Work&Holiday Zeit in Sydney, lernte ich meinen Kumpel Sean kennen, mit dem zahlreiche Regatten segelte. Der Captain, der uns das Segeln beibrachte, war einer der härtesten Hunde, die ich je getroffen habe. James ist viermal das Sydney to Hobart Rennen mit gesegelt und jedes Mal angekommen. Zudem hat er schon jede Situation auf dem Segelboot erlebt. Jede Woche segelten wir mit ihm und noch zwei weiteren Crew-Mitgliedern, Steve aus England und Ross aus Russland, die Twilight Serie und landeten am Ende auf dem 2. Platz. Jedenfalls standen die Weihnachtsferien vor der Tür und Sean hatte die Idee über die Festtage die Küste hoch nach Port Stephens zu segeln. Port Stephens war 107 sm, rund 200 km von Sydney entfernt, bei gutem Wind würde die Tour ca. 15h dauern.
Die Vorhersage lautete solide 22 Knoten aus südlicher Richtung, was bedeutete, dass es nach einer entspannten Segeltour aussah, da wir den Wind aus Achtern bekamen. Auch wenn es sich nur um einen kleinen Segeltörn handelte, sollte man die Vorbereitungen nicht unterschätzen. Sean´s Jacht ist nebenbei eine 35 ft(ca. 11 m) Martzcraft aus dem Jahre 1990. Nicht in dem besten Zustand, aber das Notwendigste funktionierte. Es muss auch nicht immer alles funktionieren, um auf Reisen zu gehen, sonst fährt man quasi nie los.
 
 

 

Zuerst besorgten wir uns einen anständigen Kartenplotter, der eigentlich genauso aussah wie ein Navigationsgerät vom Auto. Zudem hatte es noch die Funktion seinen Netflix bzw. Spotify Account mit dem Gerät zu koppel, um während des Segelns Musik hören zu können, welches nebenbei sehr unterhaltsam ist. Die weitere Investition war eine neue Funkanlage, da er zuvor nur ein Handwalkie-talkie an Bord hatte. Im Falle einer Notsituation ist es immer sicherer, eine Feste und wasserdichte Funkanlage greifbar zu haben. Nur ohne Antenne kein Radioempfang.
Bei einer Funkanlage ist es üblich, die Antenne auf dem Mast zu befestigen, um genügend Empfang zu haben, deshalb musste dazu noch die passende Antenne inklusive Kabel her. Um das System zu installieren, benötigt man im besten Fall zwei Personen: einen, der den Mast hochklettert, und eine Person, die denjenigen sichert. Zudem muss man das Kabel durch den Mast leiten und im Innenraum des Schiffes mit der Funkanlage verbinden. Wir kauften ca. 25 m Kabel und es war am Ende nicht mehr viel über. Das Radio lag nicht direkt unter dem Mastfuß, sondern man musste sich zuerst durch die Innenverkleidung des Bootes kämpfen, um an die Position im Schrank zu gelangen.

 

Bis es losgehen konnte, mussten nur noch einige Kleinigkeiten erledigt werden, wie Proviant kaufen, Segel nach Löchern kontrollieren, Wasser und Dieseltank befüllen, Schwimmwesten und Signalfackel checken, den Außenborder des Dinghy demontieren und verstauen und so weiter. Wir wussten zwar, dass Port Stephens nördlich von Sydney liegt, aber trotzdem hilft es, wenn man ein paar Tage zuvor in die Karten schaut und sich die Route einprägt. Wir planten die Abfahrtszeit so, dass wir den best möglichen Wind erhielten und abends in P.S ankämen. Das hieß um 3 Uhr morgens aufstehen und 3:30 Uhr ging es los. Auch mitten in der Nacht ist es auf See nie richtig dunkel, außer wenn es bewölkt ist.
Da wir nah der Innenstadt im Hafen lagen, war es nahe zu hell und angenehm warm. Nachts unter der 134 m hohen und 1,149 m langen Harbour Bridge hindurch und am Sydney Opera House Richtung offenes Meer zu fahren, war überwältigend. Es war fast unheimlich leise, kein Verkehr, keine Menschenmassen, die sich Tag für Tag an den Touristenattraktionen tummelten, nur unser Dieselmotor, den wir am liebsten direkt gegen unsere Segel getauscht hätten, war zu hören. Bevor wir durch die riesigen Landzungen aufs offene Meer fuhren, kam uns ein Kreuzfahrtschiff entgegen. Kreuzfahrtschiffe ist es nicht möglich, mal schnell zu stoppen, der Bremsweg oder auch Flaggenstaat genannt, kann einige Kilometer lang sein, deswegen mussten wir warten.
Die meterhohen Wellen, die das Schiff hinterließ, schaukelte unsere kleine 6 Tonnen Jacht beunruhigend durch, welches das Herausfahren ebenfalls erschwerte. Auf dem offenen Meer angekommen kamen wir uns unfassbar klein vor, auch wenn wir grade einmal 1,5 km von den Klippen entfernt waren. Eine gute Brise von 22 Knoten aus südlicher Richtung ließ uns unter vollen Segeln gute Fahrt machen. Um die schnellste Fahrt zu generieren, wenn der Wind aus achtern kommt, stellt man das Großsegel Richtung Steuerbord und die Fock auf die Backbordseite, oder andersherum. Das kein Segel dem anderen den Wind stiehlt und eine größere Segelfläche entsteht.

 

Wir brachten eine zusätzliche Leine an, um das unvorhersehbare Zurückschlagen des Großbaumes bei plötzlich wechselndem Wind zu verhindern. Leider an der falschen Stelle, wie sich schnell herausstellte. Einige Minuten nachdem wir das Nötigste erledigten und Ruhe eingekehrt war, ertönte lautes knirschen und unser Großbaum knickte einfach ab.
Genau an der Stelle wo wir noch vor Kurzem das Sicherungsseil anbrachten, hingen nun zwei Teile aus gebrochenem Aluminium. Niemand Realisierte was grade passiert war, wir standen nur mit offenen Mündern da und starrten auf das schlagende Segel. Bis Sean schrie: “Einer sofort nach vorne, die Segel müssen runter, ich mach den Motor an“! Ich löste den Fallenstopper und lief langsam Richtung Mast, um das Segel herunterzuziehen, dabei hörte ich, wie der Motor ansprang.

 

Die Tour hatte grade erst begonnen und Port Stephens noch 14h entfernt, 14h unter Motor? Wir entschieden uns ziemlich schnell dazu umzukehren und den Hafen anzusteuern. Während wir uns gegen Wind und Wellen kämpften, die natürlich jetzt von vorne kamen, realisierten wir das wir uns kaum von der Stelle bewegten. Obwohl, der Gashebel fast komplett heruntergedrückt war, kamen wir nicht vorwärts. Wir zogen die Fock wieder hoch, stellten uns in den Wind, der mittlerweile auf mehr als 25 Knoten angestiegen war. Hart am Wind und mit 90° gegen die Wellen machten wir immerhin 4 knoten. Nach etlichem Kreuzen und 4h später kamen wir in der windgeschützten Hafeneinfahrt an, wo wir das gesamte Ausmaß des Schadens genauer begutachten konnten.
Ungefähr 35 cm hinter dem Lümmelbeschlag war der Baum einfach abgeknickt. Unser Fehler war uns nach einigem spekulierenden bewusst, als wir das herunterhängende Seil an der gebrochenen Stelle betrachteten. Wir hätten das Seil in der Nähe der Großschot befestigen müssen, um das Umschlagen des Großbaums zu verhindern. Zum Glück passierte es am Anfang unserer Reise.
 
 

 

Die Reparatur 

Wieder im Hafen angekommen und eine Nacht später überlegten wir, wie wir den Ausflug am schnellsten fortsetzen können. Einen neuen Baum kaufen oder selber Reparieren? Schnell entschieden wir uns dazu ihn selber zu richten, da es nahezu unmöglich war, über die Weihnachtstage einen neuen Großbaum zu besorgen. Daraufhin demontierten wir das Segel und die Verbindung zum Mast und brachten die zwei auseinandergebrochenen Teile in eine kleine Hafenwerkstatt. Zuerst beseitigten wir alle verbogenen Aluminiumteile und hielten die beiden Enden aneinander, durch die entstandenen Spalten an der Außenseite war ans Schweißen nicht zu denken.
Zudem würde die Schweißnaht ohnehin den Windkräften nicht standhalten. Eine innen liegende Verbindung musste also her. Dazu verwendeten wir ein ca. 100 cm langes Stück Australien Hardwood, welches wir neben der Werkstatt fanden und dazu noch eins der stärksten Holzarten ist. Wir frästen und schleiften das Material gleichmäßig, bis es exakt in die beiden gebrochenen Öffnungen des Baumes passte. Zugleich verstärkten wir die Konstruktion mit zwei 60 cm langen Stahlwinkeln, die wir an die Außenseite mit zahlreichen Stahlbolzen befestigten.

 

Die Reparatur hat grade einmal 2 Stunden gedauert und ca. 60 Dollar gekostet. Ein neuer Großbaum hingegen kostet je nach Bootstyp mindestens 250 Dollar. Anschließend bauten wir alles wieder zusammen, die Segel wurden eingefädelt und alle Leinen befestigt, sodass es am nächsten Morgen wieder losgehen konnte. Die Wetterbedingungen hatten sich fast nicht verändert, nur der Wind sollte zur Mittagszeit nachlassen. Wir fuhren erneut, um 3 Uhr morgens los um rechtzeitig anzukommen. Alles funktionierte, die Ausfahrt aufs offene Meer, das Wetter passte und der Großbaum hielt. Leider wurde nach 3h Segelspaß der Wind so schwach, das wir nur noch von den Wellen Richtung Felswand geschoben wurden.
Daraufhin beschlossen wir den nächsten Ankerplatz in Pittwater anzusteuern, wo wir die erste Nacht verbrachten. Pittwater bietet eine Menge sehenswerter Fjorde, die leicht zu erreichen sind. Fast hinter jeder Ecke befand sich ein neuer verlassener Strand. Wir verbrachten, eine ganze Woche damit das Gebiet zu erkunden, und hatten außergewöhnlich gute Segeltage. Darüber hinaus blieben wir die Weihnachtstage bei Sean´s Familie, bevor wir die Heimreise antraten.
 

 

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